Es ist das,
was Du daraus machst!

Die stille Kraft der dunklen Jahreszeit

 

Wenn die Tage kürzer werden und das Licht sich rar macht, spüren viele Menschen eine Veränderung – nicht nur draußen, sondern auch in sich selbst. In meiner Praxis erlebe ich in dieser Zeit vermehrt Gespräche über Müdigkeit, Antriebslosigkeit, diffuse Traurigkeit oder das Gefühl, „nicht ganz man selbst“ zu sein. Und ehrlich gesagt: Ich kenne das auch von mir.

Die dunkle Jahreszeit fordert uns heraus. Sie nimmt uns das Licht, das uns im Sommer so selbstverständlich begleitet hat, und konfrontiert uns mit Stille, mit Langsamkeit – manchmal auch mit Leere. Doch genau darin liegt ihre Kraft.

 

Rückzug ist kein Rückschritt

In der Natur ist der Herbst eine Zeit des Loslassens. Die Bäume werfen ihre Blätter ab, Tiere ziehen sich zurück, und die Erde bereitet sich auf die Ruhe des Winters vor. Warum glauben wir, dass wir als Menschen diesem Rhythmus nicht folgen dürfen?

Psychologisch betrachtet ist Rückzug ein wichtiger Teil der Selbstregulation. Er erlaubt uns, innezuhalten, zu reflektieren, neue Kräfte zu sammeln. In der Therapie ist es oft genau dieser Moment des Stillwerdens, der den Raum für echte Veränderung öffnet.

 

Die Einladung zur Innenschau

Die dunkle Jahreszeit lädt uns ein, nach innen zu schauen. Was hat das Jahr gebracht? Was darf gehen? Was möchte wachsen – vielleicht erst einmal ganz leise, unter der Oberfläche?

Ich ermutige meine Klient*innen (und mich selbst), diese Zeit nicht als Bedrohung, sondern als Gelegenheit zu sehen. Eine Gelegenheit, sich selbst zuzuwenden, sich zu wärmen – innerlich und äußerlich. Das kann durch kleine Rituale geschehen: eine Tasse Tee am Fenster, ein Spaziergang in der abendlichen Dunkelheit, ein Tagebucheintrag bei Kerzenschein.

 

Psychotherapie im Rhythmus der Jahreszeiten

Auch in der therapeutischen Arbeit spiegelt sich dieser Rhythmus wider. Im Sommer geht es oft um Aktivität, um Veränderung im Außen. Im Herbst und Winter hingegen rücken in vielen Gesprächen Themen wie Selbstakzeptanz, Trauer, Sinnsuche und innere Stabilität in den Vordergrund.

Ich habe erlebt, wie gerade in dieser Zeit tiefe Prozesse möglich werden – weil die äußere Welt stiller wird und die innere Stimme lauter. Es ist, als ob die Dunkelheit uns hilft, das Wesentliche zu erkennen.

 

Was hilft – und was wärmt

Wenn du merkst, dass dir die dunkle Jahreszeit zusetzt, dann sei sanft mit dir. Du musst nicht „funktionieren“. Du darfst langsamer werden. Du darfst dich einkuscheln. Und du darfst dir Hilfe holen, wenn du spürst, dass du dich verlierst.

Manchmal hilft schon ein Gespräch, ein Gedicht, ein Lied, ein Licht. Manchmal braucht es mehr. Beides ist okay.